Lesen Sie auch? Die hier vorgestellten Bücher empfehle ich herzlichst zur Lektüre — weil sie Seite für Seite jeden gedruckten Buchstaben wert sind. Fehlt Ihr Lieblingstitel? Dann schreiben Sie mir und ich lese ihn.
Lion Christ:
Sauhund
Rauschhaft und wie mit einen Retro-Filter gefilmt, schauen wir Flori bei seiner erster Berührung mit einem anderen Jungen zu. Zuerst zufällig. Dann fahren sie mit dem Auto in den Wald. Niemand darf nichts wissen. Selbstverständlich hält dieses Leben gar niemand aus. Flori muss in die Stadt. Ohne sich zu verabschieden sucht er sein Liebesglück in München. 1983. Man trifft sich im Park. Es erscheinen Schwulen-Annoncen in den Zeitungen. Erste Aids-Meldungen schwappen aus den USA über. Schwulenseuche. Schwulenglück. Flori begreift das Spiel der unverbindlichen und bald käuflichen Liebe schnell und entwickelt sich zu einem richtigen Arsch. «Mit Sauhund setzt Lion Christ Flori allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal.»
Necati Öziri:
Vatermal
Arda kennt seinen Vater nicht, doch will er unbedingt, dass dieser ihn kennenlernt. Deshalb erzählt er ihm seine Lebensgeschichte. Unschlüssig, wie den unbekannten Vater anzusprechen, entscheidet er sich weder für Baba noch für Babam sondern für den Vornamen Metin: «Erzählen ist wie Wasser, Metin, einmal unterwegs, findet es seinen Weg von selbst.» Arda berichtet wie seine Mutter nach Vaters Verschwinden in Deutschland den Boden unter den Füssen verliert und wie die Schwester weggegeben wird, weil Mutter arbeiten muss. So wie schon deren Mutter. Er erzählt von seinen Freunden, die allesamt ohne Väter aufgewachsen sind — und unter permanenter Vorverurteilung von Behörden und Gesellschaft. «Die Männer, mit denen wir in Berührung kamen sorgten dafür, dass wir Angst bekamen, vor der Berührung mit Männern und anderen Jungs.» Necati Öziris Debüt ist eine Wucht. Und wer die Chance hat, diesen umwerfenden Autoren auf der Bühne zu erleben, der kann sich auf noch viel mehr Wucht freuen!
Martin Kordić:
Jahre mit Martha
Anmutig und leichtfüssig umreissen die «Jahre mit Martha» die asymmetrische Liebesgeschichte zwischen Željko und der viel älteren Martha, Frau Gruber. Die Professorin steht für alles steht, was er erreichen will: Habitus, Bildung, Souveränität. Die Sequenzen der Liebesgeschichte spielen sich in Marthas Villa ab, an der Nordsee, an der Universität, wo Željko studieren wird, sowie auf einem Roadtrip nach Zagreb zum Begräbnis des Patriarchen der kroatischen Familie. Die Liebenden beobachten sich andauernd und wir als Leserschaft schauen zu. So zum Beispiel, wenn Željko das Thema Armut in zwei Strichen radikal seziert, oder später, wenn er nach seinem Hochschulabschluss von einer Machtfalle in die nächste tappt. Wie hoch auch immer er sein Wissen auftürmt, wie viel Martha auch immer manipuliert, seine Herkunft zwingt ihn in die Knie. Integration: nicht geglückt.
Hussein Mohammadi:
Scheherazades Erben
Zwei Brüder sind unterwegs nach Kabul, die abtrünnige Masomah zu finden. Die Mission könnte für die beiden nicht unterschiedlicher sein, da Ahmad weiss, dass er seine Tochter vor den Konsequenzen für diesen Ungehorsam nicht beschützen kann, derweil Eshag, Vater des zukünftigen Bräutigams des Mädchen, seine Ehre retten muss. Mit der Reise vom ländlichen Afghanistan in die Stadt beginnt dieser Roman, der episodisch die Leben aller durch diese Flucht verbundenen Menschen entfaltet. Die Episoden kumulieren in einem Showdown — einer Szene, die in ihrer Dramaturgie kaum zu überbieten ist.
Yael Inokai:
Ein simpler Eingriff
Wo der Roman spielt oder wann genau, ist ungewiss. Wie ein Kammerstück angelegt, fokussiert er auf drei Personen: eine junge Krankenschwester, einen experimentierfreudigen Arzt, der psychisch kranke Menschen mittels Hirnoperation heilen will, sowie eine weitere Krankenschwester. Die Operationen sind vom Glauben an den Fortschritts getrieben — und werden am wachen Patienten ausgeführt. Um die Patientinnen und Patienten zu beruhigen, spielt und spricht die junge Krankenschwester während des ganzen Eingriffs mit ihnen. Denn nur ihre ruhige Art könne deren Ängste beschwichtigen, wird ihr gesagt. So assistiert sie dem Irrsinn — und verliebt sich nebenbei in ihre Zimmergenossin.
Fatma Aydemir:
Dschinns
Da ist Hüseyin, der nach Jahrzehnten Schichtarbeit in Frührente geht, um sich in Istanbul den Luxus einer Wohnung zu leisten. Da sind seine Frau Emine, auf der eine schwere Traurigkeit lastet, sowie ihre älteste Tochter Sevda, die Opfer eines rassistisch motivierten Brandanschlag wurde. Weiter Hakan, der schon irgendwie klarkommt, sowie Peri, die Erste der Familie, die in Deutschland studiert. Und dann noch der Jüngste, Ümit, der verliebt ist — in einen Mann. Die Innenwelten dieser sechs Familienmitglieder kumulieren in «Dschinns» zu einem grossen Familienroman. Der Dschinn übrigens, ein unsichtbares Lebewesen, das im islamischen Glauben gemeinsam mit den Menschen die Welt bevölkert, steht titelgebend für die diffuse Angst, die sich nie vollständig greifen und aussprechen lässt.
Benedict Wells:
Hard Land
Wie das Eintauchen ins Meer an einem heissen Sommertag ist dieser Roman von Benedict Wells: erquickend und magisch. Die Coming-of-Age-Geschichte ist in Missouri im Jahr 1985 angesiedelt. Der fünfzehnjährige Sam will von zuhause abhauen, weg von seiner todkranken Mutter und dem unausstehlichen Vater. Weg von der Vorstellung, später mit Dad alleine zu sein. Und weg von seiner eigenen Ungelenkigkeit, die ihn nur hindert und hemmt. Benedict Wells erzählt in einer schmerzhaften Präzision von den Nöten dieses Jungen. Er nimmt ihn an der Hand und begleitet ihn durch die schweren Jahre.
Ronya Othmann:
Die Sommer
Die Sommer, lang sind sie und langweilig. Nichts passiert im Dorf ihrer Grossmutter in Nordsyrien, ausser wenn die Tante aus Aleppo kommt. Leyla weiss, dass sie als Tochter eines jesidischen Kurden und einer deutschen Mutter hohe Erwartungen zu erfüllen hat, nicht umsonst wurde sie von ihrem Vater nach drei anderen Leylas benannt: allesamt kurdischen Kämpferinnen, die ihr Leben für die Kultur der Jesiden liessen: «Ihr Leben, ihre Geschichte wurden an ihrem Namen gemessen. Leyla dachte, dass ihr Name nicht ihr gehörte. Sie gehörte dem Namen.» Derweil sie in München ins Gymnasium geht und sich mit der eigenen Identität auseinandersetzt, bricht der Krieg in Syrien aus. Die nächsten Jahre verfolgt der Vater Tag und Nacht rauchend am Fernseher die Zerstörung seiner Heimat – die Mutter versucht mit allen Mitteln, die Verwandten aus dem Dorf zu retten. Wie viel in diesem Roman autobiografisch ist, lässt die Ronya Othmann offen. Aber wer kann Schuldgefühle wie diejenigen von Leyla konstruieren, die nach einer Nacht mit ihrer Geliebten überzeugt ist, dass der syrische Cousin nur ihrer Selbstsucht wegen erschossen wurde?
Olivia Wenzel:
1000 Serpentinen Angst
«Ich habe mehr Privilegien, als je eine Person in meiner Familie hatte. Und trotzdem bin ich am Arsch. Ich werde von mehr Leuten gehasst, als meine Grossmutter es sich vorstellen kann.» Olivia Wenzel ist die Tochter einer Punk-Mutter in der DDR, die immer nur wegwollte, und Enkelin einer linientreuen DDR-Bürgerin. Sie ist auch Zwillingsschwester des Neunzehnjährigen, der sich vor einen Zug wirft, und Tochter eines Angolaners, der Geld und E-Mails schickt — exakt zweimal im Jahr. Das Debüt von Olivia Wenzel ist eine Sensation, sprachlich wie auch formal. In der ersten Hälfte des Buches wird die Autorin befragt, unerbittlich, penetrant. In der zweiten Hälfte dreht sich der Spiess und nun ist sie es, die Fragen stellt.
Nicolas Mathieu:
Wie später ihre Kinder
Nachts schimmern die Lichter der Stadt romantisch. Dann treffen sich die Jugendlichen mit einer Flasche Wodka auf der mit Kondomen und Müll übersäten Geröllhalde beim Kraftwerk und erschaudern, wenn sich ihre Schultern berühren. Tagsüber ists unerträglich heiss. Dann delirieren sie wie in einem Fiebertraum, langweiligen sich zu Tode und sehnen sich nach einem anderen Leben. Der Buchtitel «Wie später ihre Kinder» ist Programm – die Lebensentwürfe von Anthony, Hacine, Clem und Steph sind längst vorgezeichnet … Ausgezeichnet mit dem «Prix Goncourt» 2019.
Paolo Giordano:
Den Himmel stürmen
«Ich sah sie nachts im Pool baden. Sie waren zu dritt und sehr jung, wie ich damals auch, fast noch Kinder.» Paolo Giordano verfolgt in seinem neuen kraftvollen und verstörenden Roman vier junge Freunde über zwanzig Jahre hinweg. Was leichtfüssig mit einer Jugendliebe beginnt, nimmt von Seite zu Seite an Gewicht und Dramatik an. Erzählt wird aus der Perspektive von Teresa. Im Fokus steht aber stets der leuchtende und unberechenbare Bern, der einem Kometen gleich unwillkürlich in den Abgrund rast. Gemeinsam mit Tommaso und Nicola wächst er unter dem selbstherrlichen Schutz eines Ziehvaters auf einem abgeschiedenen Bauernhof in Apulien auf. Er und seine zwei Wahlbrüder erfahren erst später, was diese fanatische Erziehung mit ihnen gemacht hat. – Paolo Giordano seziert seine Protagonisten geradezu. Man fragt sich, woher er diese Geschichten nimmt, und wie ihm solch tiefe Einblicke ins menschliche Sein gelingen.
Brit Bennett:
Die Mütter
Ein Mädchen wird schwanger vom Sohn des Pastors — und entschliesst sich zu einer Abtreibung. Mit diesem Nicht-Mutter-Werden-Wollen beginnt der Roman «Die Mütter», in dem jede der Hauptfiguren schwarz ist. Alle «Mütter» der kleinen kalifornischen Gemeinde, so werden die alten Frauen hier genannt, stürzen sich gierig und gnadenlos auf den Skandal derweil das Mädchen um seine Würde kämpft. Ziemlich schutzlos kämpft sie, denn ihre eigene Mutter hat sich vor Jahren das Leben genommen. Die Autorin Brit Bennet gilt mit ihren 26 Jahren als neues Wunderkinder der amerikanischen Literatur und wird bereits mit Toni Morrison verglichen.
Nino Haratischwili:
Das achte Leben (für Brilka)
Die Familiensaga der deutsch-georgischen Autorin nimmt uns mit auf eine Reise durch die wunderliche Geschichte Georgiens. Traumwandlerisch erzählt sie von Liebe und Hass, Anpassung und Widerstand, Bürgerkrieg und Sozialismus, Mord und Selbstmord über sechs Generationen hinweg. Sie erzählt die Saga jedoch nicht etwa uns, ihren dankbaren Lesenden, sondern richtet das Wort einzig an ihre Nichte Brilka. An Brilka, die Unbezähmbare … Vorangestellt sei hier die Entstehungsgeschichte Georgiens, zum Verständnis des kleinen Landes am Schwarzen Meer: «Einst erschuf Gott die Erde und verteilte das Land an die Völker. Alle drängten sich vor, wollten den schönsten Zipfel der Welt. Nur die Georgier kamen zu spät an, als alles bereits verteilt war. Sie kümmerten sich aber nicht weiter gross darum und sangen, tranken und tanzten lieber weiter. Und der liebe Gott, gütig wie eh und je, beeindruckt von der Lässigkeit und dem nicht vorhandenen Ehrgeiz des Volkes, schenkte ihm sein eigenes Urlaubsparadies, also Georgien.»
Edouard Louis:
Im Herzen der Gewalt
Das Herausragende an diesem autobiografischen Bericht ist — neben der formvollendeten Sprache diverser Erzählstimmen — der Mut des jungen Franzosen, eine Vergewaltigung zu thematisieren. Nicht eine Vergewaltigung, seine Vergewaltigung. Edouard Louis nimmt jemanden in seine Wohnung hoch, beginnt trotz instinktiver Furcht eine Liebesnacht mit dem Fremden und wird im Morgengrauen Opfer dessen Wahnsinns. Dass er die Gewalt überlebt, ist Zufall. Dass er darüber spricht, ist ein Tabubruch sondergleichen.
Imbolo Mbue:
Das geträumte Land
Jende Jonga chauffiert die Limousine seines Chefs durch das Finance District von Manhattan, stets dessen Telefonate im Ohr. Er bringt den Lehman-Brothers-Banker von Meeting zu Meeting und setzt ihn stundenweise im Hotel Chelsea ab. Er bringt den einen Banker-Sohn zum Klavierunterricht und wischt ihm auch einmal die Tränen ab, derweil er den anderen über eine bessere Welt in Indien philosophieren lässt. Bevor die Gattin ins Auto steigt, vergewissert sich Jende zweifach, dass kein Staubkorn mehr die Rückbank verschmutzt, und wenn er nachts in der Subway Richtung Bronx zu Frau und Kind friert, fragt er sich, wie lange sich Amerika noch träumen lässt. Der jähe Zusammenbruch von Lehman Brothers hat die unmissverständliche Antwort drauf.
Olga Grjasnowa:
Gott ist nicht schüchtern
Hammoudi und Amal sind Syrier — beide jung, schön, privilegiert. Er ist nur auf einen Sprung nach Damaskus zurückgekehrt, um danach ein Stelle in Paris anzutreten und zu heiraten. Ihr steht als Schauspielerin nichts im Weg. Doch der Bürgerkrieg bricht aus und mit ihm alle zivilisatorischen Errungenschaften zusammen. Hammoundis Passverlängerung wird abgelehnt, Amal landet im Gefängnis und wird gefoltert. Die zwei, die sich nur einmal flüchtig in einem Treppenhaus begegnet sind, treffen nach erschütternden Jahren der Flucht in Deutschland wieder aufeinander. Mit einem Kind, das nicht ihres ist. «Wer Syrien verstehen will, lese dieses Buch», titelte die WELT.
Paolo Giordano:
Schwarz und Silber
Dieses schmale Büchlein ist eine wunderbare Liebeserklärung an Signora A., die Haushälterin eines jungen Paares mit Kind. An ihre stoische Präsenz, ihre dezidierte Meinung zu allem und jedem, an ihren Begriff von Moral, ihre Verlässlichkeit — gar auch an ihren verlässlichen Geiz. Als sie stribt, gerät die Welt des permanent überforderten Paares aus den Fugen. Die Trauer ist gross, der Verlust riesig. Doch dürfen sie überhaupt so empfinden, wo sie doch nicht einmal zur Familie gehören?
Ayelet Gundar-Goshen:
Löwen wecken
Die israelische Schriftstellerin Ayelet Gundar-Goshen lässt ihren Protagonisten in «Löwen wecken» eine Schuld aufladen, die nicht nur ihn selber sondern auch sein ganzes Umfeld in den Grundfesten erschüttert. Aus Vertrauen und Gewissheit wird Misstrauen und Angst. Das familiäre Glück kommt ihnen allen innerhalb dieser einen Sekunde abhanden, in der jemand getötet und Fahrerflucht begangen wird. Kaum zu fassen, dass dieser Text aus derselben Feder stammt wie das fulminant-komische, durch und durch der jiddischen Erzählkunst verschriebenes Debut «Eine Nacht, Markowitz» aus dem Jahr 2013.
Olga Grjasnowa:
Die juristischen Unschärfen einer Ehe
Olga Grjasnowa ist Aserbaidschanerin, Russin, Jüdin, Deutsche. Nach ihrem Grosserfolg «Der Russe ist einer, der Birken liebt» erzählt sie jetzt von von Altay und Leyla, zwei jungen aserbaidschanischen Oberschichtskindern, die eine Scheinehe eingehen, um ihre Familien ruhig zu stellen. Zusammen nach Berlin ausgewandert liebt sie also Frauen, er Männer, und trotzdem lieben sie sich beide und verlieren den Boden, als eine dritte Person in ihr Leben dringt. Rasant und skuril.
Joël Dicker:
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Grosses Kino aus der Westschweiz! Halb Krimi, halb Gesellschaftsroman. Der Ich-Erzähler – ein New Yorker Autor, der dringend eine neue Geschichte braucht – rollt einen Mordfall von vor 30 Jahren auf. Er recherchiert die Liebesgeschichte zwischen der minderjährigen Nola Kellergan und dem Literaten Harry Quebert, indem in den mittleren Westen fährt und mit seinem literarischen Idol endlose Gespräche führt. Plötzlich die Kehrtwende: Im Garten des alten Schriftstellers wird die Leiche des Mädchens ausgegraben. Nun sieht sich der Ich-Erzähler gezwungen, Harry Quebert, an dessen Unschuld er felsenfest glaubt, zu retten. Ein Buch im Buch mit verrückten Wendungen – ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Paolo Giordano:
Die Einsamkeit der Primzahlen
Paolo Giordano, Doktorand der Physik, räumt mit 26 als jüngster Gewinner aller Zeiten den wichtigsten Literaturpreis Italiens ab – den Premio Strega. Sein Roman handelt von einer Wahlverwandtschaft zweier, die beide als Kinder schwer traumatisiert worden sind, und später ihre Jugend und das Erwachsenwerden parallel durchlaufen. Schicksalhaft füreinander bestimmt, finden sich Alice Della Rocca und Mattia Balossino jedoch nur in der Einsamkeit des anderen. – Ein berührendes Drama. Beängstigend, realistisch, schnörkellos.
Silvia Avallone:
Ein Sommer aus Stahl
Anna und Francesca, unzertrennbar, erleben einen ersten Sommer lang Lust und Leidenschaft im trostlosen Industrieort Piombino. Sie stürzen sich ins Meer und waten in den Algen, provozieren nach links und rechts, und verdrängen dabei meisterlich ihre familiären Dramen. Die Aggression und Kontrollsucht der Väter, die Perspektivlosigkeit der Brüder, die Verzweiflung der Mütter. Traumdestination der Mädchen ist Elba, das nur einige Kilometer entfernt unerreichbar bleiben wird.
Margaux Fragoso:
Tiger Tiger
Die Amerikanerin Margaux Fragoso wir dafür verurteilt, dass sie ein Buch von ihrer Liebe zu dem Mann schreibt, der sie vom Alter von sieben Jahren an fünfzehn Jahre lang sexuell missbraucht. Es sei naiv, einen Pädophilen so undistanziert und sympathisch zu porträtieren. Dieser moralische Vorwurf ist paradox, denn nur durch das Erzählen – so verstörend der Bericht auch für die Leserschaft sein mag – wird nachvollziehbar, wie solche Beziehungen zustande kommen und über Jahre funktionieren.