Lesen Sie auch? Die hier vorgestellten Bücher empfehle ich herzlichst zur Lektüre — weil sie Seite für Seite jeden gedruckten Buchstaben wert sind. Fehlt Ihr Lieblingstitel? Dann schreiben Sie mir und ich lese ihn.
Lion Christ:
Sauhund
Rauschhaft und wie mit einen Retro-Filter gefilmt, schauen wir Flori bei seiner erster Berührung mit einem anderen Jungen zu. Zuerst zufällig. Dann fahren sie mit dem Auto in den Wald. Niemand darf nichts wissen. Selbstverständlich hält dieses Leben gar niemand aus. Flori muss in die Stadt. Ohne sich zu verabschieden sucht er sein Liebesglück in München. 1983. Man trifft sich im Park. Es erscheinen Schwulen-Annoncen in den Zeitungen. Erste Aids-Meldungen schwappen aus den USA über. Schwulenseuche. Schwulenglück. Flori begreift das Spiel der unverbindlichen und bald käuflichen Liebe schnell und entwickelt sich zu einem richtigen Arsch. «Mit Sauhund setzt Lion Christ Flori allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal.»
Terezia Mora:
Muna oder Die Hälfte des Lebens
Als sie ihn das erste Mal sieht, den Mann, ist es um sie geschehen. Nach einer gemeinsamen Nacht verschwindet er mit dem Mauerfall und sie sehen sich erst Jahre später im Westen wieder. Ihre Liebe ist grenzenlos wie damals. Sie begehrt ihn, bedrängt ihn, zwingt sich ihm geradezu auf, und lässt sich betrügen, demütigen, würgen, schlagen. Sie gelobt nach jedem neuen Gewaltexzess, ihn einfach noch besser zu lieben. Allen Warnungen von Mutter und Freundinnen zum Trotz, sinkt sie tiefer in diese Beziehung und löscht sich selber bis zur Nichtexistenz aus. Fassungslos hören wir zu, wie die Ich-Erzählerin, eine schöne und kluge, promovierte Literaturwissenschafterin, in kristallklarer Sprache ihre Liebessucht bis ans bittere Ende ausformuliert.
Elliot Page:
Pageboy
Ellen Page wird Elliot Page — von she zu he. That’s it. Das ist die Geschichte. Und so einfach könnte sie sein, wenn Page nicht zwanzig Jahre lang Ausgrenzung, endlosem Leid und Selbstzweifeln ausgesetzt gewesen wäre. In «Pageboy» erzählt Elliot seine Wahrheit: vom Aufwachsen in der kanadischen Hafenstadt Halifax, vom Erwachsenwerden im von traditionellen Geschlechterrollen besessenen Hollywood. Von Sex, Liebe, Trauma und schwindelerregenden Erfolgen wie der Oscar-Nominierung für «Juno» mit Zwanzig. «Pageboy» ist Geschichte eines Lebens, das allem und jedem mit Trotz, Mut und Freude entgegentritt.
Adania Shibli:
Eine Nebensache
Negev-Wüste, 1949. Ein palästinensisches Beduinenmädchen wird von israelischen Soldaten, die die Grenze zu Ägypten sichern, aufgegriffen, geschändet, getötet und verscharrt. Exakt 25 Jahre kommt ein weiteres palästinensisches Mädchen zur Welt, das als erwachsene Journalistin von diesem Verbrechen erfährt. Von dieser «Nebensache» im Erbauen des neuen jüdischen Staates. Die Journalistin überwindet Ängste und Checkpoints, recherchiert im israelischen Militärmuseum und sucht am Schauplatz des Verbrechens nach Zeichen. — Adania Schiblis schmaler Band ist eine Wucht, ein tonnenschweres Geschütz gegen Gewalt und für Gerechtigkeit.
Wolf Haas:
Müll
Das Eintauchen in «Müll» ist mehr als Lesegenuss — es ist Lebensgefühl pur. Brenner, Simon, ehemaliger Polizist, arbeitet jetzt in einer Wiener Mülldeponie. Als dort plötzlich ein Knie auftaucht, später ein zweites Körperteil und danach ein drittes — nimmt Brenner Witterung auf und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Warum vom Herz des zerlegten Toten jegliche Spur fehlt, will ihm einfach nicht in den Kopf. Gleichwenig seinen ehemaligen Kollegen der Kripo … Und dann ist da noch eine junge Frau. Und ein tauber Müllmann. Und eine Fahrt um Leben und Tod mit dem Lastwagen über die Grenze.
Mirna Funk:
Zwischen du und ich
Die in Ostdeutschland aufgewachsene Nike hat eigentlich keine jüdische Identität — sondern eine kommunistische. Was ihrer Grossmutter widerfuhr, prägte ihre Mutter und entsprechend auch sie selbst: So nimmt Nike als Kind der third generation ihre Beziehungsunfähigkeit als Gottgegeben hin. Bis sie Mitte Dreissig nach Tel Aviv auswandert, ihr Jüdischsein zu erforschen, und dabei auf Noam trifft. Auch Noam ist Opfer seiner Geschichte. Bei ihm ist die Gewalterfahrung häuslich und männlich und zwar durch seinen Onkel so profund geprägt, dass er selbst als Erwachsener nicht aus dessen System ausbrechen kann. Nike und Noam versuchen sich in der Liebe. Es klappt nicht.
Marie NDiaye:
Die Rache ist mein
Die Figuren dieses raffinierten Vexierspiels entgleiten einem immer wieder. Kaum glaubt man, sie zu erkennen, tauchen sie wieder ins Traumhafte ab. Da ist die Frau, die ihre drei geliebten Kinder ertränkt, um von ihrem Mann loszukommen. Und die andere Frau, welche die Verteidigung dieser Mörderin antreten soll. Und zuletzt der Ehemann, der — als Bindeglied zwischen den beiden — die Anwältin mit der Verteidigung seiner Frau beauftragt. Warum engagiert er sie, die ewig Mittelmässige, für diesen spektakulären Fall, der weit über Bordeaux hinaus Wellen schlägt? Anstelle von Antworten, lässt Marie NDiyane immer wieder Sequenzen einer unheilvollen Begegnung zwischen ebendiesem Mann und der Anwältin aufblitzen. Erinnerungen, die sie Schritt auf Schritt verfolgen und nie einzuholen vermögen.
Ayelet Gundar-Goshen:
Wo der Wolf lauert
«Ich sehe im Geist diese winzigen Fingerchen, die eines Neugeborenen, und versuche zu begreifen, wie sie zu den Fingern eines Mörders heranwachsen konnten. Der tote Junge heisst Jamal Jones. Auf dem Bild in der Zeitung sind seine Augen samtschwarz. Mein Junge heisst Adam Schuster. Seine Augen sind blau wie das Meer von Tel Aviv. Es heisst, er habe ihn umgebracht. Aber das stimmt nicht.» Lilach — Mutter, Ehefrau und Israelin — verzweifelt inmitten der Kulisse des amerikanischen Traums an dieser Wahrheitssuche. Kann es wirklich sein, dass ihr Junge den schwarzen Jungen ermordet hat? Was hat sie übersehen und seit wann kennt sie ihr Kind nicht mehr?! Während sich die Anzeichen um Motiv und Tötung verdichten, verhärtet sich die Lebensrealität der kleinen Familie rasant.
Gabriel Tallent:
Mein Ein und Alles
Weit über die Schmerzensgrenze hinaus geht Gabriel Tallent in seiner Geschichte von Turtel Alveston, dem Mädchen, das in der Wildnis von Kalifornien alleine mit seinem Vater aufwächst. Martin lernt seine Tochter nicht nur Furchtlosigkeit und Unabhängigkeit, er lernt sie auch jede Pflanze kennen und mit jedem Kaliber schiessen. Eingesperrt in diese Weltordnung, zerlegt, putzt und ölt Turtle jeden Abend ihre Sig Sauer und wartet auf den nächtlichen Missbrauch, den Beweis der grenzenlosen Vaterliebe. Diese toxische Vater-Tochter-Beziehung ist kaum auszuhalten. Fassungs- und atemlos liest man sich durch den Coming-of-Age-Roman und betet, dass Turtle überlebt.
Stephan Pörtner:
Pöschwies
Irgendwie ist etwas schief gelaufen und Köbi Robert landete im Knast. Pöschwies. Für sieben lange Jahre. Endlich wieder draussen, findet der Privatdetektiv sein Zürich dermassen verändert vor, dass er sich kaum mehr auskennt. Er sucht an alte Bekanntschaften anzuknüpfen, doch die sind selbstgefällig, opportunistisch und fett geworden. Niemand mag ihn in seiner Mission Koch-Areal unterstützen, diesem Auftrag, den er aus der Pöschwies mitgenommen hat. So verstrickt sich Köbi Robert in einen Fall, der «tief in die Welt der Politik reicht. Grün wie noch nie, doch abgefuckt wie immer.»
Dror Mishani:
Drei
Wie beschaulich Dror Mishani seinen neuen Roman «Drei» zu beginnen vermag und wie abgrundtief gemein plötzlich die Wendung — Nein, nein, nein, möchte man ihm zuschreien, das ist nun wirklich nicht mehr lustig. Mishani porträtiert drei lebenshungrige, verunsicherte und gleichwohl selbstbewusste Frauen in präzisen Psychogrammen. Und steigt dabei so empathisch und konkret in ihre Gefühlswelt ein, dass man nur staunen kann. «Drei» ist in Israel bereits ein Megabestseller.
Georges Simenon:
Der Schnee war schmutzig
«Es gibt in diesem Buch keine Verbrecher — aber es gibt durchaus Verbrechen —, so wie es hier auch keine bösen Menschen gibt, aber durchaus das Böse, als eine zerstörerische Kraft in den gelähmten und schwachen Seelen der Menschen. Der Schnee war schmutzig handelt von einem Menschen, der Böses tut, von den Bedingungen, die ihn dazu verleiten, von seiner späten Rettung durch die Liebe. Ein grösseres Thema kann es nicht geben. Dieses überwältigende, dunkle Buch wird ihm ganz und gar gerecht.» so Daniel Kehlmann im Nachwort. Georges Simenon selber erwähnte das Buch in einem Interview 1958: «Und wenn ich aus meinem ganzen Werk nur einen einzigen Satz aufbewahren dürfte, dann wäre es ein Satz aus Der Schnee war schmutzig: «Schwer ist der Beruf des Menschen.»
Alfred Bodenheimer:
Im Tal der Gebeine: Rabbi Kleins fünfter Fall
Die Krimis um Rabbi Klein sind Kult. Der Rabbiner und Familienvater Gabriel Klein kümmert sich mit Hingabe um seine Zürcher Gemeinde, kann jedoch – wie die Katze das Mausen – das Ermitteln nicht lassen, wenns einen Mordfall im jüdischen Milieu gibt. In seiner Doppelrolle strebt der Rabbiner danach, Schuldige und Unschuldige zu scheiden und für Gerechtigkeit zu sorgen. «Nur», so sein Schöpfer, der Judaistik-Professor Alfred Bodenheimer, «scheitert Klein mit diesem Vorhaben grandios. Er meint, dank seiner Position den besseren Durchblick zu haben, kommt aber genauso an seine Grenzen wie alle anderen auch.» Die Krimis haben Suchtpotenzial – zum Glück erscheinen sie in so hoher Kadenz!
Wolf Haas:
Junger Mann
Das Gute an Unfällen: Trostschokolade. Das Schlechte an zu viel Schokolade: Übergewicht. Das Gute am Verlieben: die Elsa. Das Problem am Verlieben: ihr Ehemann. Wolf Haas ist grosses Kino in kurzen Sätzen, witzig und temporeich in diesem seinem wunderbaren Sound, den nur der Österreicher kann. – Ausserdem: Alle seine Brenner-Krimis unbedingt lesen!
Winnie M Li:
NEIN
NEIN ist eine Wucht – ohne Wenn und Aber. Ein hoch feministisches Buch und eine Sozialstudie zugleich. Die taiwanesisch-amerikanische Autorin wird 2008 auf einer Wanderung in der Nähe von Belfast vergewaltigt und erzählt nun davon. Von der Brutalität, die ihr als Zufallsopfer eines jungen Mannes widerfährt, der als verwahrloster «Irish Traveller» wiederum selber als Opfer bezeichnet werden könnte. Winnie M Li schneidet die Biografien von Opfer und Täter, die nicht unterschiedlicher sein könnten, gegeneinander bis zum Aufeinandertreffen. Und darüber hinaus. Sie versetzt sich mit einer unfassbaren Fairness in das Denken, Fühlen und Handeln dieses Mannes ein, der ihr Leben nachhaltig zerstört. Wie sie ihren Widersacher schildert und sich dessen Not annimmt, ist schlicht ein Meisterwerk.
Szczepan Twardoch:
Der Boxer
Ekelhaft brutal, dramaturgisch genial und filmisch-dicht erzählt — so schlägt der neue Roman von Szcepan Twardoch selbst seine kritischsten Leser in der ersten Sequenz k.o.. Bei einem Boxkampf bezwingt der Jude Shapiro seinen Kontrahenten, einen waschechten Polen. Und steigt nach diesem Kampf zum starken Mann an der Seite des Unterweltpaten Kaplica auf — und in den Krieg der Unterwelt ein. In blindem Gehorsam treibt Shapiro für den Paten Schutzgelder ein, mordet skupellos und drogt und hurt durch sich das Warschau der Vorkriegszeit. Er ist unverwundbar, wird gefeiert, bewundert, geliebt. Seinen Schutzbefohlenen ist er zärtlicher Vater, Mann und Förderer — wenn ihn nur nicht eine fatale Affäre alle Zugehörigkeit vergessen liesse.
Leïla Slimani:
Dann schlaf auch du
«Das Baby ist tot.» Mit diesen Worten beginnt der Roman von Leïla Slimani. Und dann schreit eine Mutter. Sie schreit aus tiefsten Tiefen, das Geheul einer Wölfin. Urgewaltig, wie man sonst im 10. Arrondissement von Paris niemanden schreien hört. // Schnitt. // Myriam und Paul suchen eine Nanny und werden fündig bei Louise, der Fee, die alles kann und bald unentbehrlich ist im Leben der jungen Familie … Leïla Slimani beschreibt eindringlich, wie die Eltern, entlastet und dankbar für die luxuriöse Situation zuhause, geflissentlich beginnen Details zu übersehen. Später, als das Unglück längst geschehen ist, wundert sich eine Polizistin, wie die allgegenwärtige Verwahrlosung niemandem hat auffallen können.
Edouard Louis:
Im Herzen der Gewalt
Das Herausragende an diesem autobiografischen Bericht ist — neben der formvollendeten Sprache diverser Erzählstimmen — der Mut des jungen Franzosen, eine Vergewaltigung zu thematisieren. Nicht eine Vergewaltigung, seine Vergewaltigung. Edouard Louis nimmt jemanden in seine Wohnung hoch, beginnt trotz instinktiver Furcht eine Liebesnacht mit dem Fremden und wird im Morgengrauen Opfer dessen Wahnsinns. Dass er die Gewalt überlebt, ist Zufall. Dass er darüber spricht, ist ein Tabubruch sondergleichen.
Charles Jackson:
Die Niederlage
In der Erzähltradition Richard Yates’ oder Raymond Carvers gehalten, erscheint das Buch 1947 unter dem Namen «The Fall of Valor». Seine Protagonisten sind ein Ehepaar, das sich ein paar Tage am Meer ohne Kinder gönnt, und ein junger Offizier, der am selben Strand auf Fronturlaub ist. Die beiden Männer freunden sich an. Der Ältere ist fasziniert von der Leichtigkeit des jüngeren, nimmt dessen Charme und seine fröhliche Herzlichkeit persönlich. Und steigert sich in eine Fantasie, die ein jähres Ende nimmt.
Kate Tempest:
Worauf du dich verlassen kannst
Punk-Rock pur ist er, der Debutroman der Spoken-Word-Künstlerin Kate Tempest. Fulminant, schnell, sprachlich unschlagbar. Drei Protagonisten, viel Personal rundum. Tänzerin Becky, die sich prostituiert. Koks-Dealerin Harry, die sie liebt. Freund Pete, der sie auch liebt. Jede Menge Alkohol, viel Gentrifizierung, ein Verbrechen, eine Flucht.
Åsne Seierstad:
Einer von uns
Der Norweger Anders Behring Breivik hat am 22. Juli 2011 in Oslo einen Anschlag ausgeübt und selben Tages auf der Insel Utøya 69 junge Menschen zielgerichtet hingerichtet. Als True Crime konzipiert, recherchiert Åsne Seierstand für ihr Buch das Leben und die Herkunft von Breiviks akribisch — und dasselbe tut sie mit Leben und Herkunft seiner Opfer. Diese parallele Erzählungsweise, ergänzt durch Berichte von Utøya-Überlebenden und Auszüge aus den Verhörprotokollen, machen es beinahe unlesbar. Es ist ein Ringen um Fassung. Ein Fragen nach dem Warum.
Joël Dicker:
Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
Grosses Kino aus der Westschweiz! Halb Krimi, halb Gesellschaftsroman. Der Ich-Erzähler – ein New Yorker Autor, der dringend eine neue Geschichte braucht – rollt einen Mordfall von vor 30 Jahren auf. Er recherchiert die Liebesgeschichte zwischen der minderjährigen Nola Kellergan und dem Literaten Harry Quebert, indem in den mittleren Westen fährt und mit seinem literarischen Idol endlose Gespräche führt. Plötzlich die Kehrtwende: Im Garten des alten Schriftstellers wird die Leiche des Mädchens ausgegraben. Nun sieht sich der Ich-Erzähler gezwungen, Harry Quebert, an dessen Unschuld er felsenfest glaubt, zu retten. Ein Buch im Buch mit verrückten Wendungen – ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann.
Urs Schaub:
Der Salamander
Endlich wieder einmal ein Schweizer Krimi, der Glauser und Dürrenmatt seine Ehre erweist. Wo nichts überstürzt wird und bei jeder Gelegenheit ausgiebig gespiesen. Im Zentrum stehen Simone Tanner und sein Freund Serge Michel, Polizist der Abteilung «Leib und Leben» aus dem Drei-Seen-Land. Die beiden spüren einem längst verjährten Mordfall nach und wundern sich über das Verhalten eines jungen Mannes.
Margaux Fragoso:
Tiger Tiger
Die Amerikanerin Margaux Fragoso wir dafür verurteilt, dass sie ein Buch von ihrer Liebe zu dem Mann schreibt, der sie vom Alter von sieben Jahren an fünfzehn Jahre lang sexuell missbraucht. Es sei naiv, einen Pädophilen so undistanziert und sympathisch zu porträtieren. Dieser moralische Vorwurf ist paradox, denn nur durch das Erzählen – so verstörend der Bericht auch für die Leserschaft sein mag – wird nachvollziehbar, wie solche Beziehungen zustande kommen und über Jahre funktionieren.
Stephan Pörtner:
Stirb, schöner Engel
Der eigenbrötlerische Zürcher Ermittler Jakob Köbi Robert jagt in seinem dritten Krimi einer längst verjährten Geschichte nach. Denn 1973, vor gut vierzig Jahren, wird am ersten autofreien Sonntag in der Geschichte der Schweiz die Leiche einer jungen Frau in der Nähe eines Bündner Nobelkurortes gefunden. Verdächtigt wird der Internatsschüler aus dem Unterland, dessen Herkunft ihn aber unantastbar macht. – Super Krimi!
Doris Knecht:
Gruber geht
Gruber ist erfolgreich, arrogant, cool und neurotisch. Er rast in einem Irrsinnstempo durchs Leben. Streift Bars, Betten und Flughäfen in Zürich, Berlin und Wien. Schnödet über alles und jeden bis ihn das Schicksal – zack! – brutal in die Eier tritt und ihn am Ende dieses Stückes als nicht ganz, doch zumindest als minimal geläuterten Menschen auferstehen lässt.
Ferdinand von Schirach:
Schuld
Irritierend der Berliner Strafverteidiger Ferdinand von Schirach. Ist das Erzählte Fiktion oder Wahrheit? Mit Hochgenuss und Schauder lesen sich die kleinen und die schlimmen Verbrechen, die Abscheulichkeiten und der Irrsinn. Wer nach «Schuld» noch mehr Stoff braucht, für den steht der erste Geschichtenband «Verbrechen» und der 2011 erschienene, grossartige «Fall Collani» bereit.
Frank Tallis:
Wiener Blut, Die Liebermann-Papiere, Kopflos
Krimi-Trilogie, die 1910 in Wien spielt. Es ermitteln ein Hauptkommissar und sein Freund, der junge jüdische Psychoanalytiker Liebermann, ein Schüler Freuds. Leicht trivial die Geschichten, doch schwer liebenswert.